Der
6. Kondratieff,
1. Teil
Was
kommt nach dem Informationszeitalter? Wohin entwickelt
sich unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren?
In Richtung Lernen und Bildung, individuelle und kollektive
Gesundheit, meint der Wirtschaftswissenschaftler und Informationstechnologe
Leo Nefiodow.
Nefiodow
beruft sich auf soziochronologische Wellen von mehreren
Jahrzehnten Dauer, die der russische Wirtschaftswissenschaftler
Nikolai Kondratieff "entdeckte". Im sechsten
Kondratieff-Zyklus (der erster Höhepunkt wird um
2010 erwartet) sollen Innovationen aus Medizin, High Tech
und neuen Psychotechniken für Vollbeschäftigung,
einen langanhaltenden Aufschwung von Körper, Geist
und Seele, sowie für eine tiefgreifende Reorganisierung
der Gesellschaft sorgen. Leo Nefiodow auf die Frage des
Morgenwelt Herausgebers Volker Lange "Warum ausgerechnet
Gesundheit?"
"Jeder
Kondratieff-Zyklus ist nicht nur die Verwirklichung bestimmter
Erfindungen - ein größerer Innovationsschub,
der in die gesamte Gesellschaft hineindiffundiert -, sondern
jeder Kondratieff-Zyklus befriedigt auch einen Bedarf
der Gesellschaft. Im
ersten Zyklus wurde der Bedarf nach Textilien und Kleidung
befriedigt, im zweiten der Bedarf nach besseren Transportmitteln.
Zentral
für den dritten Zyklus war der Bedarf nach Massenkonsum,
nach elektrischen, chemischen Artikeln. Der vierte Kondratieff
war die Phase, in welcher der gesellschaftliche Bedarf
nach individueller Mobilität zum Zuge kam - dank
des Automobils und des Flugzeugs. Im fünften, im
jetzigen, spielt der gesellschaftliche Bedarf nach effizientem
Umgang mit Information und Wissen die zentrale Rolle."
Und im nächsten Zyklus soll es um Gesundung, Gesundheit
und Heilung gehen, fast esoterisch anmutende Themen. Trotzdem
entwickelte sich K6 rasch zu einem Mythos, der Politik,
Business und Börse gleichermaßen beflügelt.
Die einen träumen von Vollbeschäftigung und
die anderen von einer rasanten Börsebralley. Und
K6 verspricht sie alle zu befriedigen.
Roland
Berger prognostiziert, daß "kein Stein auf
dem anderen bleiben wird", Wolfgang Clement - immer
noch gebeutelt von den Hinterlassenschaften des dritten
Kondratieff-Zyklus - schwärmt von Zukunftsmärkten
mit einem "weitgehend unausgeschöpften Potenzial
an Arbeitsplätzen". Die fünf Wirtschaftsweisen
finden, daß "in einer alternden Wohlstandsgesellschaft
steigende Ausgaben für Gesundheitsleistungen nicht
grundsätzlich etwas Schlechtes sind" und das
Fazit von Ministerpräsidentin Heide Simonis: "Bisher
haben wir den Gesundheitssektor eher als Kostenfaktor
und damit als Last für die Gesellschaft angesehen,
das gilt ab sofort nicht mehr."
Die
Fakten
Bei
soviel Spekulation ist es ratsam, sich zuerst auf die
(historischen) Fakten zu konzentrieren. Nikolai Dmitrijewitsch
Kondratieff wurde 1892 geboren und starb 1938 als Opfer
stalinistischen Terrors im Gefängnis. Der Professor
für Wirtschaft, Volkswirtschaftler und Gründer
des "Moskauer Konjuktur Instituts" entwickelte
die "Theorie der langen Wellen", die später
von Joseph Schumpeter als Kondratieffzyklen bezeichnet
wurden.
Sie
dauern zwischen 40 und 60 Jahren, beginnen mit einer
Basisinnovation und gehen mit einem fundamentalen wirtschaftlichen
Strukturwandel plus einem "historischen Reorganisationsprozeß
der Gesellschaft" einher. Kondratieff gründete
seine Theorie auf vergleichsweise spärliche Daten.
Ihm
standen die Statistiken der deutschen, englischen, französischen
und amerikanischen Volkswirtschaft zur Verfügung,
er analysierte das durchschnittlichen Niveau der Warenpreise
und des Kapitalzins, die Lohnentwicklung, Größen
wie das Außen-handelsvolumen und die Daten der
Kohle- und Schwerindustrie und eine Reihe anderer Faktoren.
Kondratieff
1926: "Obwohl die statistische-mathematische Bearbeitung
der ausgewählten Reihen so verwickelt ist, können
die aufgefundenen Zyklen doch nicht als zufälliges
Ergebnis der angewandten Methoden gelten. Dagegen spricht
entschieden, daß diese Wellen mit ungefähr
denselben Perioden in allen wichtigeren der untersuchten
Elemente aufgezeigt wurden - die festgestellten
langen Wellen der wichtigsten Elemente des Wirtschaftslebens
sind international, und zwar stimmen die Perioden dieser
Zyklen für die europäischen kapitalistischen
Länder recht gut überein."
Das
Comeback
Wahrscheinlich
wäre Kondratieff eine Fußnote der Wirtschaftsgeschichte
geblieben, gäbe es nicht Leo A. Nefiodow, Mitarbeiter
des GMD-Forschungszentrum Informationstechnik in Sankt
Augustin bei Bonn. Der Berater des Bundesminis-teriums
für Forschung und Technologie, diverser Landesregierungen,
zahlreicher internationaler Organisationen und privater
Unternehmen veröffentlichte 1996 das Buch "Der
sechste Kondratieff. Wege zur Produktivität
und Vollbeschäftigung im Zeitalter der Information".
Sein Credo: Basisimpuls der Weltwirtschaft im nächsten
Jahrhundert wird die psychosoziale Gesundheit und Kompetenz
von Menschen sein Leo A. Nefiodow:"Im nächsten,
im sechsten Kondratieff-Zyklus, wird der gesellschaftliche
Bedarf nach Gesundheit im Vordergrund stehen. Nicht
nur rein körperliche Gesundheit, wie wir sie heute
verstehen, sondern in einem ganzheitlichen Sinne: auch
seelische, ökologische und soziale Gesundheit."
Zwischen
den Zyklen
Das
ist auch nötig, denn die täglichen Problemen
des ausklingenden Informationszeitalter sind beträchtlich.
Auszug aus einer Online-Publikation der Swisconsult,
Zürich, über die Kondratieff-Zyklen:"
…
Kriminalität verursacht pro Jahr Kosten von mindestens
$ 1000 Milliarden
• Korruption und Bestechung kosten noch einmal
1000 Milliarden US-Dollar
• Für Drogen werden jährlich weltweit
800 Milliarden US-Dollar ausgegeben
• Für "Innere Sicherheit"
rund 1200 Milliarden US-Dollars
• Für militärische Zwecke werden
etwa 800 Milliarden US-Dollar
• Die Schäden durch Umweltzerstörung
werden jährlich auf 10% des
Weltsozialproduktes geschätzt, also mehr als 2800
Milliarden US-Dollar,
• etwa 80% aller Produkte werden nach einmaliger
Benutzung weggeworfen.
Das
entspricht ca. 2500 Milliarden US-Dollar Energie-und
Rohstoffverschwendung Addiert man alles zusammen, dann
kommt man auf die stolze Summe von rund 10'000 Milliarden
US-Dollars jährlich, die für "destruktive"
Zwecke ausgegeben werden. Das ist etwa ein Drittel des
Weltsozialproduktes. "Gesundheits-Kondratieff"
heisst nicht, dass unser Gesundheitssystem weiter ausgebaut
wird. Der neu aufkommende Gesundheitssektor wird sein:
• Biotechnologie
• Psychologie und Psychotherapie
• Umwelttechnik
• Ideologie, Religion
Es
geht darum, nicht ausgeschöpfte Produktionsreserven
zu erschliessen und diese liegen im Humankapital, in
der Kompetenz der Menschen - Facit: Unternehmen, die
sich auf die Zukunft ausrichten wollen, müssen
sich intern Möglichkeiten schaffen, die vermehrt
zur Nutzung des zur Verfügung stehenden Humankapitals
beitragen." Soweit die Swisconsult, Zürich.
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