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Chronobiologie und Harmonik
2. Teil

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Die Rhythmen von Mensch und Musik

Professor Dr. Gunther Hildebrandt, einer der Väter der modernen Chronomedizin, gründete die Europäische Gesellschaft für Chronobiologie und war viele Jahre lang Vizepräsient der Internationalen Gesellschaft für Chronobiologie. Aus seiner wissenschaftlichen Arbeit "Biologische Rhytmen im Menschen und ihre Entsprechungen in der Musik" einige Zitate:

"Es besteht Grund genug, nach biologischen Zeitstrukturen zu fahnden, die als - wie auch immer geartete - Äquivalente oder Reagenten für das musikalische Tun und Erleben in Betracht kommen. Die Ergebnisse der modernen Chronobiologie und Chronomedizin haben gezeigt, daß der menschliche Organismus nicht nur eine komplizierte Raumgestalt besitzt, sondern auch über eine hochdifferenzierte Zeitgestalt verfügt, die aus zahlreichen rhythmischen Zeitstrukturen aufgebaut ist. Manche der rhytmischen Vorgänge im Organismus sind unmittelbar erlernbar und können sogar willkürlich beeinflußt werden, wie z. B. der Herz- und Atemrhythmus. Andere, wie z.B. der 90-120minütige basale Aktivitätsrhytmus oder der Seitigkeitsrhythmus der Blutverteilung, der sich am deutlichsten im Seitigkeitswechsel der Nasenatmung beim Patienten mit Periodendauern von 6-8 Stunden äußert, werden von uns kaum beachtet und müssen durch entsprechende Meßwerte dargestellt werden."

Gunther Hildebrandt unterscheidet drei Phasen,
drei Bereiche der menschlichen Chronobiologie:

• Es gibt einen langwelligen Bereich
(Tages, Wochen, Monats und Jahresrhythmen), entsprechend der geo-physikalischen-kosmischen oder soziö-ökologischen Umweltordnungen. Diese äußeren Umweltrhythmen wirken als Zeitgeber, sie haben synchronisierenden, d. h. phasenregulierenden Einfluß auf unseren Körper.

• Im mittleren Bereich
des dreigliedrigen Systems befindet sich die Atmungs- und Kreislaufrhythmen. Beide definieren unsere Gegenwart, das Jetzt. In diesem mittleren Bereich treffen zwei polar entgegengesetzten Funktionsprinzipien der zeitlichen Organisation unserer Lebensvorgänge aufeinander und müssen zum Ausgleich gebracht werden.

• Die kürzerwellige Rhytmen
unterhalb des Tagesrhytmus, rein endogene autonome Funktionsschwankungen, die in keinem unmittelbaren Bezug zu den Rhytmen der Umwelt stehen.

Die höchstfrequenten rythmischen Vorgänge befinden sich "im Bereich des Nervensystems". Sie dienen hier dem Informationswechsel, d.h. der Aufnahme, dem Transport und der Verarbeitung von Informationen, die zu rhythmischen Signalen verschlüsselt werden. Die langsameren Rhythmen dienen vornehmlich dem Stoffwechsel und seinen Funktionsbereichen, sie ordnen Stoffaufnahme, und -ausscheidung, Verdauung, Sekretion und Energiespeicherung. So äußern sich die die Leistungen des Informationssystems in den gleitenden Frequenzänderungen der nervalen Aktionsrhythmik, wobei die jeweilige Frequenz in enger Korrelation zum Erregungsgrad der nervösen Elemente und damit auch zur Intensität der sie treffenden spezifischen Umweltwirkungen steht.

• Interessanterweise stehen die Rhythmen des Stoffwechselsystems untereinander in einfachen ganzzahligen Frequenzbeziehungen, unterliegen also einer harmonisch-musikalischen Ordnung.

So steht z. B. der Rhythmus der Magenperistaltik mit seinem Wellenabstand von ca. 20 Sek zum 1-Min-Grundrhythmus der Fundusmuskulatur des Magens im Frequenzverhältnis 3:1 oder der Kontraktionrhythmus des Zwölffingerdarms zum Rhythmus der Magenperistaltik 4:1.

Bei kolikartigen Schmerzanfällen im Bauchraum, z.B. bei Harnleiterkrämpfen, können uns die musikalischen Proportionen an der Folge der einzelnen Schmerzwellen bewußt werden. Unter Umständen sind bereits in jeder einzelnen Zelle musikalisch-harmonische Zeitstrukturen verankert, die den harmonischen Intervallproportionen entsprechen.

Die Drei-Sekunden-Gegenwart

Auch unser Gehirn - unsere Wahrnehmung - kennt Rhythmen und hat seine Zeit. Das "Jetzt" dauert subjektiv etwa drei Sekunden - länger können wir aufeinanderfolgende Sineseindrücke nicht zusammenhängend erfassen und zu einem einheitlichen Bewußtsein zu verschmelzen, unsere "Gegenwart".

Sprecher legen nach drei Sekunden vorlesen eine Pause ein, unabhängig von Atmung und Sprache, Alter und Geschlecht. Fachmann für das "Fester der Gegenwart", das etwa drei Sekunden offensteht, ist der Münchner Psychologe und Hirnforscher Professor Ernst Pöppel.

Pöppel schlägt einen sehr musikalischen Versuch vor: "Stellen Sie ein Metronome auf 60 und lasen sie es vor sich hinticken. nach kurzer Zeit werden Sie merken, organisiert Ihr Gehör die gleichmäßigen Schläge zu Gruppen. Man kann nun versuchen, die Gruppen immer länger zu machen. Aber ab einer bestimmten Länge - etwa drei Sekunden, wird das unmöglich, der Takt verschwimmt, die Gruppe bleibt nicht länger als einprägsames Ganzes erhalten.

Pöppel stellt sich weiter vor, daß es ein zeitliches Fenster geben müsse, das alle Sinneseindrücke, die weniger als 30 oder 40 Millisekunden auseinanderliegen, als "gleichzeitig" zusammengefaßt werden. Dieser "Horizont der Gleichzeitigkeit" ist für die Filterung der auf uns einstürmenden Informationsmengen äußerst wichtig.

Die Zeit-Analysen wurden bei Europäern, Yanomami-Indianern, Kalahari-Buschleuten und Trobriandern (Melanesier) durchgeführt. Das "Drei-Sekunden-Phänomen" war unabhängig von anderen allen anderen Faktoren. Tatsächlich sind viele Filme voller drei-Sekunden Kamera-Einstellungen wie Händeschütteln, aufstampfen oder streicheln. Auch im wahren Leben finden sich rhythmisch wiederholte Handlungseinheiten, Sportler zählen "1, 2,3" oder mit "Achtung-fertig-los", Ampeln schalten in einem Dreier-Rhytmus von Rot auf Grün.

Auf diese Arbeit baut Dr. Margret Schleidt von der Forschungsstelle für Humanethnologie der Max-Planck-Gesellschaft auf. Sie untersuchte, ob unsere Aktivitäten, bestimmte Verhaltensweisen, ebenfalls einem drei-Sekundentakt unterliegen. Und eine Analyse des kompletten Filmmaterials der Max-Planck-Gesellschaft für Verhaltensforschung bestätigte diese These: im Alltag gibt es komplette, rhythmisch wiederholte Einheiten zwischen zwei und drei Sekunden. Unabhängig von Kultur, Geschlecht und Alter. Überraschenderweise gab es ähnliche Ergebnise bei Schimpansen ...

Wenn zwei Menschen miteinander harmonieren, vielleicht sogar verliebt sind, dann schwingen sie sogar perfekt zuammen, wie die "Chrono-Psychologie" herausfand, die den Rhytmen unserer Psyche auf der Spur ist. Wenn wir uns mit einem Gegenüber wohlfühlen, werden die Bewegungen flüssiger, das rhytmische Zusammenspiel ist perfekt, spontan und (inZeitlupe betrachtet) geradezu künstlerisch.

Weitere Zusammenhänge

Michael Hutchison, der amerikanische Fachmann für Neurofeedback, weißt auf weitere Zusammenhänge zwischen Körper und Rhythmus hin:

• Hemisphären-Dominanz
Die EEG-Forschungen des Neurologen David Shannahoff-Khalsa (Salk Institute for Biological Sciences) deuten darauf hin, daß ich auch die Hemisphären-Dominanz im Großhirn ständig in einem wellenartigen Rhythums verschiebt. Der durchschnittliche Rhythmus im Wechsel von der rechten zur linken Hemsiphäre und wieder zurück lag bei rund 120 Minuten. Das wirkt sich natürlich auf unsere kognitiven Fähigkeiten aus.

• Verbale und räumliche Fähigkeiten
Einige mentale Aktivität stehen im Zusammenhang mit jeweils einer Hemisphäre. Shannahoff-Khalsa verglich die Hemisphären-Dominanz mit der mentalen Aktivität. Er stellte dabei fest, daß auch diese einen ähnlichen ultradianen Rhythmus durchläuft. Andere Wissenschaftler testeten Versuchspersonen mit regulären Intervallen von verbalen (linke Hemisphäre) und räumlichen (rechte Hemisphäre) Aufgaben. Wenn die verbale Aktivität stark ist, dann ist die räumliche Aktivität sehr niedrig und umgekehrt. Diese Muster wechselten Tag und Nacht in einem Zyklus von 90 bis 120 Minuten.

• Koordination und Gedächtnis
Wissenschaftler haben verschiedene Eigenschaften bei Versuchspersonen gemessen, die Videogames spielten. Sie fanden heraus, daß die Hand-Auge-Koordination, das Lernen und das Kurzzeitgedächtnis wellenförmige Muster von Hügeln und Tälern aufzeigten. Die Spitzen tauchten alle 90 Minuten auf.

• Geistige Wachheit
Eine Gruppe von Forschern ließ Versuchspersonen komplizierte Aufgaben lösen, die ein hohes Maß an geistiger Wachheit erforderten. Auch in diesem Fall variierten die Leistungen in 90- bis 120-minütigen ultradianen Rhythmen.

• Kreativität
Eine Vielzahl von Tests zeigten, daß auch die Kreativität einen Anstieg und Abfall innerhalb eines ultradianen Rhythmuses aufweist. Der Rhythmus liegt bei rund 90 Minuten.

• Beeinflussbarkeit und Aufnahmefähigkeit
Der Hypnotherapeut Milton Erickson fand bei verschiedenen Personen heraus, das sie eine natürliche Periode der Entspannung (ca. 15 bis 20 Minuten) und der erhöhten Wahrnehmung durchlaufen. Er nennt dies die "normale tägliche Trance". Diese Phasen wiederholen sich in einem Zyklus von 90 bis 120 Minuten auf.

• Optimismus und Pessimismus
In den Phasen der erhöhten Energie, so der Psychologe Robert Thayer, sind die Menschen über-optimistisch und tendieren zur Überschätzung ihrer Kräfte. Jedoch in den Phasen mit niedrieger Energie neigen die Menschen zu Pessimismus und unterschätzen ihre eigene Kraft.

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Chronobiologie und Schlafmedizin                   

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