Die
heilenden Klänge des
Ayurveda
Kapitel
5, Teil 1
Wie die vedische Musik aufgebaut ist
und wodurch sie wirkt
"Die
Musik die aus meiner Seele kommt, ist Gandharva-Ved"
Ranajit Sengupta, Sarod-Virtuose
Der
Raga
Raga
heißt Klagfarbe, Gefühl und Stimmung, auch
Freude und Genuss sowie Schönheit. Es ist das,
was den Geist mit Freude färbt. In der klassischen
indischen Musik werden als Raga die verschiedenen
Tonfolgen bezeichnet, über denen die Musiker
improvisieren. Ein Raga ist in der Gandharva-Veda
Musik nicht ein komponiertes Musikstück mit einer
festgelegten Melodie, sondern ein musikalisches Grundmotiv,
das eine bestimmte Stimmung wiedergibt. Ein echter
Raga kann auch nicht einfach nur so komponiert werden.
Er muss als Klang- und Melodiestruktur der Schöpfung
intuitiv erkannt werden. Denn Ragas entsprechen laut
Definition bestimmten Naturgesetzen, die zur Zeit
ihres Vortrages vorherrschen und die in den Zuhörern
lebendig werden. Sie entfalten daher einen besonderen
Zauber, dem man sich nicht entziehen kann.
Wie
alle Begriffe in der Sanskritsprache, ist auch der
Name des Raga schon eine lautmalerische Wiedergabe
seiner zu entfaltenden Form und Struktur, seiner besonderen
Stimmung und der Schwingung, die seine Wirkung ausmacht.
Die Essenz eines Raga oder einer Ragini, der weiblichen
Form, das dahinterstehende Naturprinzip also, sind
im Klang und Struktur des Namens enthalten, so wie
die gesamte Information und Ausdruckskraft einer Pflanze
in ihrem Samen. Die Aufgabe des Musikers und die Kunst
dieser Musik bestehen somit darin, ein Naturgesetz
zu beleben und das musikalische Samenkorn aufkeimen
zu lassen. Man kann einen Raga auch mit einer geschlossenen
Blüte vergleichen, die sich im Laufe des Spiels
und durch die Kunst des Musikers nach und nach öffnet,
wie eine Blume unter dem Licht der Sonne.
Ein
Raga (Linkempfehlung:
Ragas)
hat einen typischen Aufbau. Er besteht aus einem langsamen
Vorspiel, dem Alaap, der sich über wenige Minuten
bis zu einer Stunde erstrecken kann und dem Gat, verschiedener
schnellere Phasen des Stückes. Im Alaap liegt
eines der Geheimnisse und der Zauber dieser Musik.
Die besondere Art der Melodieführung, die Stille
zwischen den Tönen und die Rückkehr der
Melodie immer wieder zum Grundton lassen den Zuhörer
eintauchen in Stille und Transzendenz. Mit zunehmendem
Spiel und vor allem mit dem Einsetzten der Rhythmusinstrumente
wird die Transzendenz der Musik und der Atmosphäre
des Raumes immer mehr belebt. Es ist ganz das kosmische
Schöpfungsspiel, das Prinzip des Veda, der Dynamik
in der Stille, das hier ausgedrückt wird.
In
den Ragas des Maharishi Gandharva-Veda liegt eine
tiefe Bedeutung und Sehnsucht des Menschen nach Erfüllung
und Einheit. Sie enthüllen den Ur-Klang des Kosmos
und die ewige Musik des Universums und alle Melodien,
die der Schönheit der Natur Ausdruck verleihen.
Ravi Shankar, neben seinem berühmten Lehrer Allauddin
Kahn, der bekannteste Vertreter klassischer indischer
Musik im Westen, hat diesen Gedanken so ausgedrückt
"Das höchste Ziel unserer Musik besteht
darin, das Wesen des Universums zu enthüllen,
das sie widerspiegelt, und die Ragas gehören
zu den Mitteln, mit denen dieses Wesen erfasst werden
kann." Letztlich, so kann man schließen,
ist jedes Geschöpfe der Natur ein Raga, eine
Kompositionen der Natur.
Der
Ton macht die Musik
Die
Ragas bauen auf einem uns vertrauten Tonsystem auf.
Die sieben Töne oder Swaras einer Tonleiter beruhen
offenbar auf kosmischen Gesetzmäßigkeiten
und sind daher die Grundlage sowohl des Gandharva-Veda
als auch der westlichen Musik1. Dadurch ist es möglich,
ein Instrument sozusagen mit der Stimmgabel der Natur
zu stimmen. Bekanntlich haben Musiker, die das absolute
Gehör besitzen, die Fähigkeit, Töne
und Tonarten ohne vorgegebenen Vergleichston zu bestimmen
und durch Singen anzugeben. Das absolute Gehör
ist eine genetisch bedingte und vererbbare Eigenschaft
und als solche eine Gabe der Natur.
Der
Gandharva-Musiker stimmt sein Instrument ebenfalls
nach dem Ton der Natur. Dieser ist einerseits durch
die Zeit des Tages festgelegt, zu der das Stück
gespielt werden soll. Er findet die Töne aber
auch in seinem Körper wieder, in verschiedenen
Bereichen, aus denen nach der Lehre des Gandharva-Veda
die verschiedenen Töne des Tonleitersystems entstehen
und in denen sie daher auch besonders wirken. Bestimmte
Stimmbildungs- und Nervenplexi, die den ayurvedischen
Mahamarmas entsprechen, wirken hier wie die Resonanzsaiten
eines Instrumentes oder Stimmgabeln die angeschlagen
werden. Dieser
Zusammenhang zwischen Tönen und ihrer Wirkung
auf bestimmte Energiezentren in Nervensystem und Körper,
gibt Hinweise, warum die verschiedenen Ragas unterschiedliche
Qualitäten im Hörer beleben und bestimmte
Heilwirkungen erzeugen können. Hier liegt eines
der Geheimnisse der ayurvedischen Klang- und Musiktherapie.
Jeder
Ton spricht einen Bereich im Körper an
Die
alten vedischen Ärzte hatten eine tiefe Beziehung
zum Klang als Ursprung des Lebens und zu den Schwingungen,
die von Krankheit oder Heilmitteln ausgehen. Sie spürten
genau, wo und wie jeder Ton auf Geist und Körper
wirkt.
Denn
jeder der sieben Swaras, hat nach der Lehre des Gandharva-Veda
eine eigene Prakriti, das heißt Natur, mit bestimmten
Eigenschaften und Wirkungen.
Shadja
(Sa) |
Ton
C |
wird
in Nase, Rachen, Brust, Gaumen, Zunge und Zähnen
gebildet |
Rasabh
(Re) |
Ton
D |
steigt
vom Nabel auf, wird von Rachen und Kopf ausgehaucht
(expelled) |
Gandhar
(Ga |
Ton
E |
steigt
vom Nabel auf, wird von Rachen und Kopf ausgehaucht
(expelled) |
Madhyam
(Ma) |
Ton
F |
steigt
vom Nabel auf, schlägt an Brust und Herz
und kehrt zum Nabel zurück |
Pancham
(Pa) |
Ton
G |
steigt
vom Nabel auf, schlägt an Brust, Herz, Rachen
und Kopf |
Dhaiwat
(Dha) |
Ton
A |
besetzt
alle oben genannten Orte |
Nishad
(Ni) |
Ton
H |
besetzt
ebenfalls alle oben genannten Orte |
Diese
mehr subjektiven Entsprechungen erhalten eine konkrete
anatomische Grundlage durch die Zusammenhänge
die der Neurophysiologe Dr.
T. Nader zwischen der Struktur und den Klangsequenzen
des Veda und dem menschlichen Körper aufgedeckt
hat.
Nader
hat die sieben Swaras, die Grundtöne der Tonleiter,
den sieben sympathischen Ganglien des Grenzstranges
beidseitig des Rückenmarks zugeordnet (Abbildung..).
Jeder Ton, SA, RE, GA, MA, PA, DHA, NI, belebt eine
bestimmte Qualität.
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